Die
Geschichte meiner Vorfahren
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Was
wissen wir in unserer Familie über unsere frühste
Vergangenheit? Offensichtlich waren unsere Vorfahren Holzflösser.
Und tatsächlich zeigt unser Familienwappen ja auch
Ruder und Stachel.
Ein
Grossonkel von mir, Robert Frey, hatte 1978 die Geschichte
unserer Vorfahren niedergeschrieben, die ich an dieser
Stelle auszugsweise wiedergeben möchte...
Die
Flösser von Biberstein
Meine
Vorfahren wohnten in Biberstein im Kanton Aargau, und
ihre Tätigkeit vom Beginn des 17. Jahrhunderts kenne
ich durch mündliche Überlieferung, und zwar
von meinem Grossvater, geboren 1837.
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Schloss
Biberstein um 1750 |
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Der
Aargauer Jura war immer sehr holzreich, und das Holz wurde
verkauft in Länder, die ihren Bedarf im Ausland decken
mussten. Eines dieser Länder war Holland. Ein Transport
zu Lande, etwa 1000 km, kam wegen der schlechten Wegverhältnisse
und einer Zeitdauer von mehreren Wochen nicht in Frage.
Der günstigste Transport erfolgte zu Wasser, und
zwar von Biberstein bis Zurzach-Koblenz via Aare und weiter
auf dem Rhein, per Floss nach Rotterdam. Heute noch sind
in den Felsen beim Schloss Biberstein die schmiedeisernen
Ringe zu sehen, an denen das Floss aus Baumstämmen
bis zur Fertigstellung und Abfahr vertaut wurden. Vor
Beginn der Reise wurde ein Zweiräderkarren mit Proviant,
Decken, Laden für eine Schutzhütte usw. auf
dem Floss befestigt, und los ging es. Bis Basel verlief
die Fahrt für damalige Verhältnisse normal,
beträgt das Gefälle von der Einmündung
der Aare in den Rhein bei Waldshut bis Basel doch nur
60 m, bei einer Länge von über 40 km. Unterhalb
von Basel fing nun die Fahrkunst des Flösser erst
richtig an, musste doch auf einer Länge von173 km
bis Bingen ein Gefälle von 158 m überwunden
werden. Das Gefälle verteilt sich nicht gleichmässig.
Am gefährlichsten war es beim sogenannten Bingerloch,
wo von rechts die Nahe in den Rhein fliesst; der Strom
verläuft hier noch in einer starken Kurve, die mit
Felsen bespickt ist. Hier besonders zeigte sich das Geschick
der Flösser. Beim Einfluss der Nahe in der Aussenseite
der Kurve herrschte eine besonders starke Strömung
mit Wirbeln, so dass nur mit grosser Kraftanstrengung
und Mühe das Floss in der günstigsten Rinne
gehalten werden konnte.
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Holzflösser
bei Wangen an der Aare |
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Es
kam vor, dass das Floss dennoch abgetrieben wurde, an einen
der Felsen stiess und durch den starken Rückschlag
einen Flösser in den Rhein geworfen wurde, der manchmal
nicht gerettet werden konnte.
Nund
sind bis Rotterdam noch rund 700 km zu fahren bei einem
Gefälle von 120 m. Das Wasser floss nun ruhiger,
liegt doch Köln nur noch 50 m über Meer bei
einer Strecke von etwa 310 km bis Rotterdam.
War
das Holz in Rotterdam verkauft, ging es heimwärts,
zirka 1000 km bis ins Dorf in der Schweiz, das heisst
etwa zwei Wochen stromaufwärts. Es wurden Proviant
eingekauft und der mitgeführte Zweiradwagen beladen,
wozu noch die Decken, die Stacheln und Ruder usw. kamen.
Täglich 14 Stunden Marsch. In Holland war das Gelände
flach; sobald es jedoch durch Deutschland ging, das heisst
etwa ab Köln, fing das Steigen an. Felsvorsprünge
und Gebirgszüge mussten umgangen oder überstiegen
werden, jedenfalls ein mühsamer Marsch. Da bekannt
war, dass die Flösser auf dem Rückweg Geld auf
sich trugen, waren sie vor Überfällen nicht
sicher. Es taten sich daher einige Mannschaften zusammen
und stellten nachts durchgehend eine Wache auf. Trotzdem
kam es vor, dass sie an einsamen Stellen von Wegelagerern
oder von den Burgherrn mit gedungenen Söldnern überfallen
wurden. Meistens ging es ohne Blutvergiessen, aber mit
einem Lösegeld ab. Mord und Totschlag soll es aber
dennoch hin und wieder gegeben haben.
Zu
Hause angelangt, wurde ein neues Floss gezimmert, und
das Abenteuer wiederholte sich einige Male im Verlaufe
der warmen Jahreszeit; im Winter war es zu kalt und auch
der Wasserstand in der Regel ungenügend.
Robert
Frey, 1896-1981
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